10 Jahre Aufbewahrungspflicht? Riskieren Sie keine unleserlichen Belege durch falsche Lagerung. Der Guide zur sicheren Langzeitarchivierung.
Trotz der digitalen Transformation ist das papierlose Büro für viele Schweizer KMUs und Privatpersonen noch immer eine Illusion. Wichtige Verträge, Urkunden, Steuerbelege und Bilanzen existieren physisch und müssen physisch bleiben. Während digitale Daten "nur" Backups benötigen, hat Papier ganz andere Ansprüche. Es ist, chemisch betrachtet, eine Herausforderung. Es verzeiht keine Fehler bei der Umgebungstemperatur, der Luftfeuchtigkeit oder der Beleuchtung.
Das Problem verschärft sich durch die gesetzliche Lage. Gemäss dem Schweizerischen Obligationenrecht (OR Art. 958f) müssen Geschäftsbücher und Buchungsbelege zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Bei Immobilien-Unterlagen oder bestimmten steuerrelevanten Dokumenten sind es oft sogar 20 Jahre. Zehn Jahre sind eine lange Zeit für ein Material, das aus Pflanzenfasern besteht und sich langsam, aber sicher zersetzt.
Die meisten Archive landen pragmatisch dort, wo Platz ist: im Keller. Doch was für Wein gut sein mag, ist für Akten oft der Tod auf Raten. Papier ist hygroskopisch. Das bedeutet, es passt seinen Feuchtigkeitsgehalt der Umgebungsluft an. Nimmt das Papier Feuchtigkeit auf, quellen die Fasern. Die Folge sind gewelltes Papier, verklebte Seiten und im schlimmsten Fall Schimmelbildung.
Besonders in älteren Gebäuden liegt die Luftfeuchtigkeit im Keller oft weit über den für Papier empfohlenen 45 bis 55 Prozent. Sobald die Marke von 60 Prozent dauerhaft überschritten wird, beginnt ein mikrobiologischer Prozess. Es bilden sich sogenannte Stockflecken – gelb-braune Verfärbungen, die durch Pilzsporen entstehen und das Papier irreversibel schädigen. Hinzu kommt der "Kellergeruch": Papier nimmt Gerüche extrem schnell an. Ein Vertrag, der modrig riecht, macht bei einer Revision oder einem Verkauf keinen professionellen Eindruck.
Lange Zeit galt das Silberfischchen als der klassische Schädling im Bad und Keller. Doch Archive haben einen neuen, gefährlicheren Feind: das Papierfischchen (Ctenolepisma longicaudata). Im Gegensatz zum Silberfischchen, das Feuchtigkeit liebt, mag das Papierfischchen es trockener – genau so, wie wir eigentlich unsere Akten lagern wollen.
Das Papierfischchen hat sich in den letzten Jahren rasant in Europa ausgebreitet. Es ernährt sich von Zellulose und Stärke. Das bedeutet: Es frisst Papier, Karton und den Leim von Buchrücken. Der Schaden ist oft verheerend, da die Tiere nicht nur an der Oberfläche knabbern, sondern sich durch ganze Aktenstapel fressen und dabei den Text zerstören ("Lochfrass"). Herkömmliche Umzugskartons aus Wellpappe sind für diese Schädlinge kein Hindernis, sondern eher ein willkommenes Buffet und Nistplatz zugleich.
Neben Feuchtigkeit und Schädlingen bedroht auch die chemische Zusammensetzung des Papiers dessen Haltbarkeit. Viele Papiere, besonders günstiges Druckerpapier oder älteres Zeitungspapier, sind holzhaltig und enthalten Lignin. Unter Einfluss von UV-Licht (Tageslicht oder Leuchtstoffröhren) oxidiert das Lignin. Das Ergebnis kennen wir alle: Das Papier vergilbt und wird brüchig.
Ein weiteres Problem ist die "Säure". Papier zerfällt mit der Zeit von selbst, wenn der pH-Wert sauer wird (Säurefrass). Dies wird durch falsche Lagerung, etwa in einfachen Kartons oder Holzregalen, die selbst saure Ausdünstungen abgeben, beschleunigt.
Wenn Sie sicherstellen wollen, dass Ihre Dokumente auch nach zehn Jahren noch lesbar und vorzeigbar sind, sollten Sie folgende Grundsätze beachten:
Klimakontrolle ist Pflicht: Der Lagerraum sollte eine konstante Temperatur (ideal 14–18 °C) und eine relative Luftfeuchtigkeit von 45 bis 55 Prozent aufweisen. Starke Schwankungen stressen das Material mehr als konstante, leicht suboptimale Werte.
Weg vom Karton: Lagern Sie wichtige Langzeit-Akten nicht in bananenkistengrossen Umzugskartons. Nutzen Sie säurefreie Archivboxen oder, noch besser, verschliessbare Kunststoffboxen. Diese bieten mechanischen Schutz vor Papierfischchen und schützen bei einem Wasserschaden (z.B. Rohrbruch im Keller) besser als Pappe.
Metall statt Holz: Regale aus Metall sind für die Aktenlagerung besser geeignet als Holzregale, da sie keine schädlichen Gase ausdünsten und Schädlingen keinen Nährboden bieten.
Externe Lagerung: Wenn Ihr eigener Keller feucht ist, riskieren Sie den Verlust Ihrer Geschäftsunterlagen. Ein externer, professioneller Lagerraum (Self-Storage) ist oft die sicherste Lösung. Hier werden Klima und Schädlingsfreiheit überwacht, was die physische Integrität Ihrer Akten garantiert.
Papier wirkt geduldig, ist es aber nicht. Wer die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen einhalten und wichtige Dokumente für die Nachwelt sichern will, darf Akten nicht einfach im Keller "vergessen". Die richtige Verpackung und ein kontrolliertes Raumklima sind die Lebensversicherung für Ihre Dokumente.
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