Zurück
Industrie

Industriezone vs. Gewerbezone: Das sind die Unterschiede

Wo dürfen Sie produzieren? Der Vergleich zwischen Industrie- und Gewerbezone klärt Fragen zu Lärmschutz (LSV), Zonenkonformität und Nutzung in der Schweiz.

Verfasst von
Dominic Frei
Veröffentlicht am
19. November 2025

Für produzierende Unternehmen ist die Standortwahl weit mehr als eine Frage von Quadratmeterpreisen und Autobahnanbindungen. Sie ist eine existenzielle rechtliche Weichenstellung. Ein häufiges Szenario: Ein Metallverarbeitungsbetrieb mietet sich in einer gut gelegenen Gewerbeimmobilie ein, investiert in Maschinen und Abluftanlagen, nur um sechs Monate später den Betrieb einschränken zu müssen. Der Grund? Nachbarschaftsbeschwerden wegen Lärm oder Gerüchen.

 

Das Problem liegt oft in einem Missverständnis der Begriffe „Gewerbezone“ und „Industriezone“. Im Schweizer Baurecht sind diese Zonen keine Synonyme, sondern definieren strikt, wie viel „Störung“ ein Betrieb verursachen darf. Wer hier die falsche Wahl trifft, riskiert teure Nachrüstungen oder im schlimmsten Fall die Nutzungsuntersagung.

 

 

Die Gewerbezone: Für das „saubere“ Handwerk

Die Gewerbezone (oft auch Arbeitszone genannt) dient primär Betrieben, die keine oder nur mässige Belastungen für die Umgebung erzeugen. Das Schlüsselwort im Schweizer Planungsrecht lautet hier: mässig störend.

 

In diesen Zonen ist oft auch Wohnnutzung zulässig - sei es direkt im gleichen Gebäude (Betriebsleiterwohnung) oder auf dem Nachbargrundstück. Das hat direkte Konsequenzen für Ihren Betrieb. Ein klassisches Beispiel ist die Schreinerei, das Autohaus mit Werkstatt oder ein High-Tech-Montagebetrieb. Solange die Arbeit tagsüber stattfindet und keine extremen Emissionen (Lärm, Rauch, Erschütterungen) verursacht, ist die Gewerbezone ideal. Sie liegt oft zentraler und bietet eine bessere Anbindung an den öffentlichen Verkehr für Mitarbeitende.

 

Der Haken liegt jedoch im Detail: Sobald Sie in den Schichtbetrieb wechseln wollen oder Prozesse einführen, die auch nachts Lärm verursachen (z.B. 24h-CNC-Fräsen), stossen Sie in der Gewerbezone schnell an rechtliche Grenzen. Die Rücksichtnahme auf das Wohnbedürfnis der Umgebung hat hier Vorrang.

 

 

Die Industriezone: Der Schutzraum für die Produktion

Die Industriezone ist das planungsrechtliche Gegenstück. Sie ist für Betriebe reserviert, die stark störend sind. Das klingt negativ, ist aber für die produzierende Industrie ein entscheidender Schutzmechanismus. In reinen Industriezonen ist Wohnen in der Regel strikt verboten (mit wenigen Ausnahmen für Hauswarte).

 

Das Fehlen von Anwohnern ermöglicht Freiheiten, die anderswo undenkbar wären. Hier sind durchgehende Schichtbetriebe (24/7), intensiver Schwerlastverkehr auch in der Nacht sowie höhere Lärm- und Geruchsemissionen zulässig. Chemische Produktion, Schwerindustrie, grosse Logistikzentren oder Recyclinganlagen finden hier ihren rechtssicheren Platz.

 

Der Vorteil der Industriezone liegt in der Planungssicherheit. Da keine Wohnbebauung heranrücken darf, laufen Sie nicht Gefahr, dass ein neu gebautes Wohnhaus in der Nachbarschaft plötzlich Ihre Betriebserlaubnis gefährdet - ein Phänomen, das als Heranrücken der Wohnbebauung in Mischgebieten oft zu Konflikten führt.

 

 

Die Wahrung der Zonen: Lärmempfindlichkeitsstufen (ES)

Um die Frage „Wo darf produziert werden?“ objektiv zu beantworten, hilft ein Blick in die sogenannte Lärmschutzverordnung (LSV). Die Schweiz ist in verschiedene Lärmempfindlichkeitsstufen (ES) unterteilt, die harte Grenzwerte in Dezibel festlegen.

  • ES II (Wohnzonen): Hier gelten sehr strenge Werte. Industrie ist hier faktisch unmöglich.

  • ES III (Misch-/Gewerbezonen): Hier sind mässig störende Betriebe erlaubt. Die Grenzwerte sind höher, aber Nachtruhe ist ein kritisches Thema.

  • ES IV (Industriezonen): Hier gelten die höchsten Toleranzwerte. Dies ist die Zone für die klassische Industrie.

Vor der Anmietung einer Halle müssen Sie zwingend prüfen, welcher ES-Stufe das Grundstück zugeordnet ist. Ein „Industrie-Look“ des Gebäudes bedeutet nicht automatisch, dass es rechtlich in einer Zone der Stufe IV liegt. Liegt das Objekt in einer Zone der Stufe III, gelten für Ihre Maschinen deutlich strengere Lärmgrenzwerte an der Parzellengrenze.

 

 

Nutzungskonflikte und Zonenkonformität

Ein weiterer Aspekt ist die Zweckentfremdung. In vielen Kantonen wird streng darauf geachtet, dass Industriezonen nicht durch falsche Nutzung verknappt werden. Ein reines Bürogebäude, ein Fitnessstudio oder ein Detailhandelsgeschäft hat in einer reinen Industriezone oft nichts zu suchen und bekommt unter Umständen keine Bewilligung. Der Gesetzgeber will dadurch verhindern, dass das knappe Land für lärmintensive Betriebe nicht für ein leises Gewerbe "verschwendet" wird.

 

 

Fazit: Der Zonenplan ist Teil des Businessplans

Die Unterscheidung zwischen Gewerbe- und Industriezone ist keine baurechtliche Wortklauberei, sondern ein wirtschaftlicher Faktor. Eine Gewerbezone bietet oft mehr Image und Nähe zum Kunden, schränkt aber die Produktionszeiten und -methoden ein. Die Industriezone bietet weniger Glanz, dafür aber die operative Freiheit, die eine moderne Fertigung benötigt.

 

Bevor Sie einen Mietvertrag unterschreiben, sollten Sie nicht nur das Gebäude prüfen, sondern bei der Gemeinde Einsicht in den Zonenplan und die dazugehörige Bau- und Zonenordnung (BZO) nehmen. Prüfen Sie, ob Ihre geplante Nutzung (inklusive potenzieller Expansionen in den Schichtbetrieb) zonenkonform ist.