Vermeiden Sie den häufigsten Planungsfehler: Ohne Pufferzonen für WIP und Material steht die Produktion still. Ein Guide für effiziente Flächennutzung.
Bei der Planung einer neuen Produktionsstätte oder der Anmietung einer Industriehalle beginnt alles mit einem Hallenplan. Die Maschinen werden als Rechtecke eingezeichnet, die Gänge markiert – und auf dem Papier scheint alles perfekt zu passen. Doch die Realität nach dem Einzug sieht oft anders aus: Paletten blockieren die Laufwege, Mitarbeitende müssen halbfertige Produkte ständig umräumen, um an Material zu kommen, und der Gabelstapler hat kaum Platz zum Wenden.
Der Grund für dieses Chaos ist ein weit verbreiteter Planungsfehler: Der Fokus liegt zu stark auf dem reinen „Footprint“ der Anlage, also der Fläche, die die Maschine physisch bedeckt. Dabei wird vergessen, dass Produktion nicht nur aus dem Bearbeitungsprozess selbst besteht, sondern zu gleichen Teilen aus interner Logistik. Eine Maschine muss "atmen" können. Das bedeutet, sie benötigt definierte Zonen für den Zufluss, den Stillstand und den Abfluss von Material. Diese sogenannten Pufferzonen sind keine verschwendete Miete, sondern die Voraussetzung für einen flüssigen Wertschöpfungsprozess.
Jeder Fertigungsprozess beginnt mit Rohmaterial. Selbst wenn Sie nach strengen „Just-in-Time“-Prinzipien arbeiten, benötigt jede Anlage einen operativen Vorrat direkt am Arbeitsplatz. Der Maschinenbediener darf nicht für jedes Bauteil ins Zentrallager laufen müssen.
Hier kommen Kanban-Regale oder Palettenstellplätze ins Spiel. Fragen Sie sich bei der Flächenplanung: Wie wird das Material angeliefert? Kommt es auf Europaletten, in Gitterboxen oder als Langgut? Ein einziger Europaletten-Stellplatz (0,96m²) benötigt inklusive des nötigen Hantierungsraums schnell zwei bis drei Quadratmeter reale Fläche. Wenn Sie zwei verschiedene Rohmaterialien verarbeiten, verdoppelt sich dieser Bedarf. Fehlt dieser definierte Platz, steht das Material im Gang – ein klassisches Sicherheitsrisiko und ein Verstoss gegen die Richtlinien der SUVA (Schweizerische Unfallversicherungsanstalt) bezüglich freier Fluchtwege.
Das wohl am häufigsten unterschätzte Volumen in einer Fertigungshalle ist die sogenannte „Halbfertigware“ oder „Work in Progress“ (WIP). In einer idealen Welt fliesst ein Teil von Prozessschritt A nahtlos zu Prozessschritt B. In der Realität gibt es Taktzeitunterschiede. Wenn Maschine A schneller produziert als Maschine B verarbeiten kann, entsteht ein Stau.
Diese halbfertigen Teile müssen irgendwo gelagert werden. Noch kritischer ist der Platzbedarf bei physikalisch bedingten Wartezeiten. Müssen geklebte Teile aushärten? Müssen geschweisste Komponenten abkühlen, bevor sie vermessen oder weiterverarbeitet werden können? Dieser „Reifeprozess“ benötigt Pufferflächen, die weder zum Lager noch zur Maschine gehören, sondern eine eigene Zone bilden. Unterschätzt man diesen Bedarf, werden teure Produktionsflächen schnell zu improvisierten Abstellkammern, was die Effizienz der gesamten Linie drastisch senkt.
Wenn das Teil die Maschine verlässt, ist es oft noch nicht bereit für den Versand. In modernen Fertigungslinien findet die Qualitätssicherung (QS) oft direkt an der Maschine statt ("Quality at the Source"). Das bedeutet, Sie benötigen Platz für einen Prüftisch, Messgeräte und wiederum getrennte Behälter für „Gut-Teile“ und „Ausschuss“.
Zudem muss die Fertigware abtransportiert werden. Hier gilt die gleiche Logik wie beim Input: Wenn der Staplerfahrer die fertige Palette abholt, braucht er Rangierraum. Ein Gabelstapler benötigt, je nach Modell, eine Arbeitsgangbreite von 3 bis 4 Metern, um eine Palette sicher aufzunehmen, ohne Regale oder Maschinen zu rammen. Diese Verkehrsflächen sind im Mietpreis inbegriffen, müssen aber operativ freigehalten werden.
Wie viel Platz brauchen Sie also wirklich? Experten für Fabrikplanung und Arbeitsorganisation (wie z.B. nach REFA-Methodik) warnen davor, zu knapp zu kalkulieren. Eine bewährte Faustregel besagt: Der reine Maschinen-Grundriss sollte mit dem Faktor 2,5 bis 3 multipliziert werden, um den tatsächlichen Flächenbedarf inklusive Bedienung, Wartung, Materialpuffer und Verkehrswegen zu ermitteln.
Eine 10m² grosse CNC-Maschine benötigt also in der Realität eher 30m² Hallenfläche, um produktiv betrieben zu werden. Wer hier spart, spart am falschen Ende. Die Kosten für den zusätzlichen Quadratmeter Miete sind meist deutlich geringer als die Personalkosten, die durch ineffiziente Abläufe, Suchzeiten und ständiges Umräumen von Material entstehen.
Betrachten Sie die Mietfläche nicht nur als Kostenblock, sondern als Produktionswerkzeug. Eine Halle, die genügend Raum für Pufferzonen und eine klare Trennung von Wertschöpfung und Logistik bietet, amortisiert sich durch höhere Prozessgeschwindigkeit und Arbeitssicherheit. Achten Sie bei der Besichtigung von potenziellen Produktionsflächen daher nicht nur darauf, ob die Maschine hineinpasst, sondern ob sie dort auch arbeiten kann.
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